Frank Wienand ist in Aachen als Herrenausstatter mit exzellentem Ruf bekannt. Sein Unternehmergeist reicht jedoch über die Mode hinaus: Im benachbarten Belgien betreibt er ein ganz anderes Projekt – an einem Ort, an dem schon vor langer Zeit gutes Tuch und feine Kleidung Teil einer kultivierten Gesellschaft waren.
Im Château Thor an der belgisch-deutschen Grenze trifft jahrhundertealte Geschichte auf modernes Flair. Hier werden Gäste in einem unverwechselbaren Vintage-Ambiente empfangen, das Ruhe und vielseitige Eventmöglichkeiten bietet.
Im Interview erzählt Herr Wienand, wie er auf das Château aufmerksam wurde, warum gerade dieses Anwesen seine Entscheidung prägte und wie sich daraus eine lebendige Nutzung entwickelte. Er gibt Einblicke in die Herkunft seiner Gäste, die Bedeutung der Geschichte des Châteaus und die Attraktivität der Grenzregion für Immobilienkäufer. Zudem spricht er über seine Erfahrungen mit den Denkmalbehörden, teilt wertvolle Tipps für Interessenten und erklärt seine Gründe für den Verkauf aus Altersgründen.
Inhaltsverzeichnis
- Vom Maßanzug zum Mauerwerk
- Zwischen Türmchen und Tradition
- Ein Ort, viele Möglichkeiten
- Woher die Gäste kommen
- Zwischen Charme und Charakter
- Ruhe, Kultur, Perspektive
- Grenzregion mit Potenzial
- Denkmalschutz in Belgien
- Altbau mit Aussicht
- Ein Kapitel geht zu Ende
1. Herr Wienand, Sie sind eigentlich Herrenausstatter in Aachen. Wie sind Sie auf die Idee gekommen, ein Château in Belgien zu übernehmen?
Wir sind eher zufällig im Internet auf dieses Anwesen gestoßen – und waren sofort fasziniert. Als wir es zum ersten Mal besichtigten, war es um uns geschehen. Die Atmosphäre in den alten dicken Mauern hat uns unmittelbar berührt. Ich wusste sofort: Hier schlummert enormes Potenzial. Man muss es nur freilegen, mit Fingerspitzengefühl und einer klaren Vision. Obwohl ich beruflich aus einer ganz anderen Richtung komme, war für mich schnell klar: Dieses Projekt will ich angehen.
2. Belgien ist berühmt für seine vielen Schlösser. Haben Sie vor dem Kauf des Château Thor auch andere Anwesen besichtigt? Was hat Sie letztlich neben der Nähe zur deutschen Grenze überzeugt?
Tatsächlich haben wir nur dieses eine Anwesen besichtigt – es war mehr oder weniger ein Zufallsfund. Das Château befand sich damals in einem desolaten Zustand. Dass jedoch große Teile des Daches Anfang der 2000er bereits erneuert worden waren, war ein zusätzlicher Pluspunkt. Ebenso beeindruckte uns die großzügige Förderung durch die Denkmalbehörde, die in Belgien bemerkenswert ist.
Was uns schließlich wirklich überzeugt hat, waren die günstigen Rahmenbedingungen: Der Kauf erfolgte über eine Aktiengesellschaft – dadurch entfiel die Grunderwerbssteuer von fast 20 Prozent. Auch bei einem späteren Verkauf ist die steuerliche Belastung deutlich geringer: Als Deutscher zahlt man nur 25 Prozent auf den Zugewinn, bei einer Haltedauer von über acht Jahren sogar gar nichts – so wie belgische Staatsbürger.
Natürlich war auch die Nähe zur deutschen Grenze ein entscheidender Faktor. Viele Châteaux in Belgien liegen sehr abgelegen, was es erschwert, Gäste oder Veranstaltungen zu empfangen. Château Thor liegt dagegen ideal: nur vier Minuten von der Autobahn entfernt und zehn Minuten bis ins Zentrum von Aachen oder Eupen. Das machte uns die Entscheidung letztlich leicht.

3. Mit welcher Intention haben Sie das Château übernommen? Hatten Sie von Anfang an ein konkretes Nutzungskonzept oder hat sich die Idee für die heutige Nutzung erst im Nachhinein entwickelt?
Ursprünglich hatten wir geplant, das Château in mehrere Wohnungen umzubauen – die Substanz hätte das auf jeden Fall hergegeben und es war durchaus ein realistisches Projekt. Doch da bereits eine Genehmigung und Infrastruktur für die Nutzung als Hotel und Veranstaltungsort vorhanden war, haben wir uns zunächst dafür entschieden, diesen Weg weiterzugehen, um schneller Einnahmen zu erzielen und das Potenzial besser einschätzen zu können.
Rückblickend war das eine kluge Entscheidung: Die Nachfrage war von Anfang an enorm, die Buchungen kamen förmlich Schlag auf Schlag. Da ich beruflich stark eingebunden bin, haben wir uns darauf konzentriert, das Château hauptsächlich an Wochenenden zu vermieten. Das hat sich als praktikabel erwiesen – obwohl wir das große Interesse unter der Woche damit kaum bedienen konnten.
Langfristig gibt es hier viel Luft nach oben: Wer sich voll auf den Betrieb konzentrieren kann, könnte den Umsatz mit Sicherheit verdoppeln oder mehr. Zusätzlich steht noch eine Ausbaureserve von rund 1.200 Quadratmetern zur Verfügung – ob für weitere Gästezimmer, Seminarräume oder eben doch für separate Wohnungen. Die Möglichkeiten sind da.
4. Woher kommen Ihre Gäste hauptsächlich? Sind es vor allem Deutsche, Belgier oder internationale Besucher?
Unsere Gäste kommen tatsächlich aus sehr unterschiedlichen Regionen. Für Hochzeiten sind es häufig Paare aus Aachen, Köln oder Düsseldorf – verständlich, denn sie möchten ihre Freunde und Familie möglichst unkompliziert hierher einladen.
Daneben veranstalten wir auch viele Firmen- oder Familienevents ohne große Party, bei denen die Gäste oft aus ganz Belgien, den Niederlanden oder sogar den USA anreisen. Die Mischung macht das Château besonders lebendig und abwechslungsreich.

5. Welche Rolle spielt das Ambiente eines Château für Ihre Gäste – und für Sie persönlich?
Das Ambiente eines Châteaus ist für unsere Gäste der zentrale Anziehungspunkt. Die Patina der Jahrhunderte, das Spiel aus Geschichte und Raum – all das lässt sich nicht künstlich erzeugen. Man spürt sofort, dass dieses Haus eine Seele hat. Genau diese besondere Atmosphäre macht den Aufenthalt für viele so unvergesslich.
Für mich persönlich ist das Château weit mehr als nur ein Gebäude. Wenn ich allein dort bin, breitet sich eine Ruhe aus, die kaum zu beschreiben ist. In solchen Momenten scheint die Zeit stillzustehen – es ist, als würde die Geschichte mit jedem Atemzug spürbar werden. Für mich ist das wie ein Kurzurlaub für die Seele: ein Rückzugsort voller Stille, Tiefe und Inspiration. Das kann nur ein Ort mit Vergangenheit.
6. Ungestört entspannen im historischen Ambiente ist für viele Gäste wichtig. Daneben spielen Sehenswürdigkeiten und touristische Ziele eine Rolle. Welche Ausflugsziele empfehlen Ihre Gäste am häufigsten oder besuchen sie am liebsten in der Region?
Die Region rund um das Château bietet tatsächlich für jeden Geschmack etwas. Viele Gäste genießen einfach die Ruhe der Natur – sei es beim Spazierengehen, Wandern oder Radfahren in der direkten Umgebung. Auch der nahegelegene Golfplatz ist sehr beliebt.
Wer Kultur und Stadtleben sucht, besucht gerne Aachen mit seinem Dom und der historischen Altstadt oder erkundet die Umgebung mit ihren vielen kleinen Städten und Dörfern.
Zudem gibt es einige echte Highlights im Veranstaltungskalender: Während des Formel-1-Wochenendes in Spa oder zum weltbekannten Reitturnier CHIO in Aachen ist das Château besonders gefragt – viele Gäste verbinden den Aufenthalt mit einem dieser Events. Die Kombination aus Entspannung in historischer Kulisse und attraktiven Ausflugszielen macht den Aufenthalt für viele besonders reizvoll.

7. Was macht die belgisch-deutsche Grenzregion Ihrer Meinung nach für deutsche Immobilienkäufer attraktiv – abgesehen von besonderen Projekten wie dem Château Thor?
Die belgisch-deutsche Grenzregion bietet für deutsche Immobilienkäufer gleich mehrere Vorteile – ganz unabhängig von besonderen Objekten wie dem Château Thor. An erster Stelle steht die Sprache: Deutsch ist hier, neben Französisch, eine der offiziellen Amtssprachen. Das erleichtert deutschsprachigen Käufern nicht nur den Alltag, sondern vor allem auch alle Formalitäten mit Behörden oder Dienstleistern.
Ein weiterer Pluspunkt ist die hervorragende Infrastruktur und die unmittelbare Nähe zu Deutschland. So lassen sich beide Länder problemlos miteinander verbinden – sei es beruflich oder privat. Auch kulturell ist die Region stark vernetzt: Als Deutscher fühlt man sich hier schnell angekommen.
Zudem sind die Immobilienpreise in vielen Teilen der Grenzregion nach wie vor attraktiver als in deutschen Ballungsräumen. Gerade für Aachener, die ein Haus oder eine Wohnung suchen, ist der Blick über die Grenze längst Alltag. Daher gilt auch in Belgien: Gute Immobilien gibt es nicht wie am Fließband.
8. Denkmalschutz hat oft einen schweren Ruf – häufig sind die Dinge aber weniger kompliziert, als zum Beispiel im Internet dargestellt. Wie waren Ihre Erfahrungen mit den belgischen Denkmalbehörden bei der Restaurierung und Nutzung des Château Thor? Gab es besondere Auflagen oder Herausforderungen?
Ganz ehrlich: Unsere Erfahrungen mit der belgischen Denkmalbehörde sind durchweg positiv. Anders als oft befürchtet, zeigt sich die Behörde hier sehr kooperativ – und vor allem praxisnah. Statt auf starren Vorgaben zu beharren, steht der Erhalt des Gebäudes im Vordergrund und dabei wird der Eigentümer aktiv unterstützt.
Besonders beeindruckend ist die Förderlandschaft: Bis zu 70 Prozent der Kosten können bei vielen Maßnahmen übernommen werden – das reicht von der Restaurierung über energetische Verbesserungen bis hin zur Pflege der Gartenanlagen. Sobald man einmal verstanden hat, wie die Prozesse funktionieren, ist der Ablauf überraschend unkompliziert.
Die Behörde weiß: Ein Gebäude, das genutzt und gepflegt wird – vielleicht sogar Einnahmen generiert – bleibt in deutlich besserem Zustand als ein leerstehendes Objekt. Dieses Verständnis prägt die Zusammenarbeit und sorgt für einen konstruktiven Umgang auf Augenhöhe.

9. Welche Tipps würden Sie Leuten geben, die darüber nachdenken, eine historische Immobilie mit gewerblicher Nutzung zu übernehmen? Was sind die größten Stolpersteine im Alltag?
Der Einstieg in die Welt historischer Immobilien mit gewerblicher Nutzung erfordert Geduld und viel Ausprobieren, bis man seinen eigenen Weg gefunden hat und die Abläufe wirklich versteht. Es ist viel Arbeit – und definitiv nichts für Menschen, die alles nur theoretisch planen wollen. Wer ständig an möglichen Problemen hängenbleibt, wird genau das erleben. Ich persönlich bin ein Bauchmensch und Optimist – und genau das hat mir geholfen, erfolgreich zu sein.
Mein Motto lautet: Probleme sind da, um gelöst zu werden. Es gibt keine Herausforderung ohne eine Lösung – Kreativität und Pragmatismus sind gefragt.
Natürlich läuft selten etwas ganz nach Plan – aber wo passiert das schon? Kurz gesagt: Der größte Stolperstein ist oft man selbst. Die eigene Einstellung entscheidet, wie man mit Schwierigkeiten umgeht und ob man daran wächst.
10. Historische Immobilien fordern oft jahrelange Hingabe und viel Herzblut. Fällt es da schwer, irgendwann loszulassen? Sie verkaufen das Château aus Altersgründen – was wünschen Sie sich für den neuen Eigentümer?
Natürlich steckt viel Herzblut in so einem Projekt – man baut über Jahre nicht nur Stein auf Stein, sondern auch eine emotionale Verbindung auf.
Ein historisches Anwesen wie das Château Thor braucht jemanden, der es mit genauso viel Respekt und Liebe behandelt wie wir – und der die Vision hat, es behutsam weiterzuentwickeln. Natürlich kann man direkt größere Schritte machen, wenn die finanziellen Mittel vorhanden sind, aber genauso gut ist es möglich, das Château Stück für Stück über die Jahre zu erhalten und auszubauen.
Mein großer Wunsch für die neuen Eigentümer ist, dass sie das Erbe dieses besonderen Ortes verstehen und wertschätzen. Wenn sie mit Einsatz und Geduld an das Projekt herangehen, dann kann ich das Château mit einem guten Gefühl in ihre Hände übergeben und loslassen. So bleiben historische Anwesen im Allgemeinen bewahrt für kommende Generationen und für all jene, die ihren besonderen Charme erleben möchten.
Kurze Geschichte von Schloss Thor
Die Ursprünge des Anwesens reichen bis ins Mittelalter zurück: Im 14. Jahrhundert befand sich an der Stelle der heutigen Schlossanlage eine Burg der Familie von Astenet, ein massiver Wohn- und Wehrturm mit Wassergraben und Zugbrücke. Nach wechselnden Besitzverhältnissen und Umbauten im 17. und 18. Jahrhundert entstand das heutige Herrenhaus, das 1700 als „Castel“ errichtet und später durch einen markanten Torbau ergänzt wurde. Die Bezeichnung „Schloss Thor“ ist seit 1733 überliefert.
Im 19. Jahrhundert wurde das Gebäude historistisch umgestaltet und diente ab 1947 als Hotel-Restaurant. Bis 1997 war das Schloss im Besitz der Familie Lambertz, danach begann eine umfangreiche Restaurierung durch die neue Eigentümergesellschaft. Heute verbindet Schloss Thor historische Architektur mit moderner Nutzung und kann für Feiern und Veranstaltungen gemietet werden.
Lage Schloss Thor in Astenet
- Das Interview führte Inga Rück
- Château Thor auf Airbnb
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