Das frühere evangelische Pfarrhaus in Przecław (Woiwodschaft Lebus bzw. "Lebuser Land") stammt aus dem Jahr 1770.
Das zweigeschossige Gebäude im Barockstil besticht durch seine schlichte rechteckige Form und ein original erhaltenes Mansarddach, das mit keramischen Karpfenziegeln gedeckt ist. Die Dachkonstruktion offenbart historische Zimmermannszeichen und Inschriften, Zeugnisse vergangener Handwerkskunst. An der Südseite akzentuiert eine Fassadenfront mit Fenster das Dach. Im Obergeschoss sind die Wände in traditioneller Ständer-Rahmen-Bauweise errichtet. Das Gebäude bewahrt seine historischen Fenster- und Türrahmen – wenngleich eine umfassende Sanierung erforderlich ist. Original erhaltene Holzbalkendecken mit Dielenböden prägen das Innere, in einigen Räumen finden sich zudem kunstvolle Stuckverzierungen. Eine gewundene Holztreppe mit balustradengeschmücktem Handlauf führt in die oberen Stockwerke. Die südliche Front präsentiert sich mit sechs Achsen und den historischen Haupteingangstüren, während die nördliche Fassade mit ihren fünf Achsen die Nebentüren beherbergt. Der Innenraum gliedert sich in zwei Flure, verbunden durch eine durchgehende Diele mit originalem Bodenbelag. Die Ost- und Westfassaden, ebenfalls zweigeschossig, sind mit historischen Holzfenstern versehen und verputzt.
Im späten 18. Jahrhundert erfolgte eine grundlegende bauliche Erneuerung, bei der das ursprüngliche Schindeldach durch eine Eindeckung aus Dachziegeln ersetzt wurde. Heute ist der Bau sanierungsbedürftig.
Der Grundstein für die benachbarte evangelische Kirche wurde am 29. August 1768 gelegt, um den Bedürfnissen der Gemeinde gerecht zu werden. Die Kirche wurde am 30. Juli 1769 feierlich geweiht, und noch im selben Jahr begann der Bau des Pfarrhauses. Auch hier wurde im späten 18. Jahrhundert die Dachdeckung erneuert – von Schindeln auf Ziegel.
Der erste evangelische Pastor war Johan Gottlob Wanderyer, Schutzpatron der Kirche war Alexander Maximilian von Schkopp. Ihm folgten Johann Gottlieb Richter sowie Ernst Wilhelm August Hoffmann aus Babimost. Ab 1858 wirkte Ernst August Theodor Reiche aus Konin als Pastor und Pfarrhausbewohner. Nach dem Zweiten Weltkrieg diente das Gebäude als Wohnhaus und erfüllte zugleich soziale Funktionen – die Eigentümerin stellte es auch für schulische Zwecke zur Verfügung.
Seit 1971 steht das Pfarrhaus unter Denkmalschutz. Es gilt als Bauwerk von außergewöhnlichem historischen und wissenschaftlichen Wert, da es innovative ingenieurtechnische Lösungen des 18. Jahrhunderts dokumentiert. Die komplexe, mehrteilige Mansarddachkonstruktion ist ein seltenes Beispiel für diese Bauweise. In seiner Funktion und Gestaltung sowie durch die sorgfältige Ständer-Rahmen-Konstruktion knüpft das Haus an eine lange handwerkliche Tradition an. Die fortschreitende Zerstörung ähnlicher Bauwerke macht das Pfarrhaus zu einem einzigartigen Denkmal auf regionaler, nationaler und sogar europäischer Ebene. Es verkörpert das materielle Kulturerbe der evangelischen Gemeinde, die seit Mitte des 16. Jahrhunderts in dieser Region präsent ist.
Das Pfarrhaus liegt zentral im Ort, direkt an der Hauptstraße zwischen der historischen katholischen Kirche St. Jakobus aus dem 14. Jahrhundert und der ehemaligen evangelischen Kirche. Es stellt ein wichtiges architektonisches, historisches und wissenschaftliches Zeugnis der Ortsbebauung von Przecław dar.
Die Lage am bedeutendsten christlichen Pilgerweg Polens, dem Jakobsweg, macht den Ort zu einem lebendigen Beispiel religiöser Vielfalt. Das unmittelbare Nebeneinander von Denkmal, katholischer und evangelischer Kirche spiegelt unterschiedliche Traditionen und Glaubensrichtungen wider. Das multikulturelle Erbe der Region, ebenso wie Denkmäler weiterer Religionen – etwa orthodoxer und griechisch-katholischer Gemeinden in der nahegelegenen Stadt Przemków, die nach dem Zweiten Weltkrieg hierher umsiedelten – unterstreicht den internationalen Charakter der Region.